Im Schleiertüchlein erzählt Hermann von Sachsenheim zwei Geschichten:
Eine Liebesgeschichte und einen Pilgerbericht: Das Dichter-Ich, ein alter Ritter,
hört eine klagende Stimme und findet im Wald einen vor Kummer fast ohnmächtigen
Jüngling. Der junge Ritter berichtet über die Ursache seines Jammers:
Der junge, noch nicht zum Ritter geschlagene Knappe warb um die Liebe eines
jungen Ritterfräuleins. Das adelige Fräulein stellte dem Jüngling
eine Bewährungsprobe: Er solle ins Heilige Land reisen, sich dort zum Ritter
schlagen lassen. Als Zeichen ihrer Verbundenheit übergab sie dem Jüngling
ein Seidentüchlein, das mit Tropfen ihres Blutes getränkt war.
Die Fahrt ins Heilige Land wird zum Abenteuer: Er fährt mit dem Schiff
nach Zypern, gelangt von dort über Nazareth nach Jerusalem. Das Schiff
gerät aber in einen schweren Sturm, der Mastbaum bricht, das Schiff wird
manövrierunfähig und sieben Reisegefährten finden den Tod. Der
Jüngling überlebt und erreicht Jerusalem. Er besucht das Heilige Grab
und wird in der Grabeskirche zum Ritter geschlagen. Ob im Seesturm oder am Heiligen
Grab, die Gedanken des jungen Mannes kreisen stets um seine Angebetete und um
sein Kleinod das blutgetränkte Tüchlein. Über Meran und
Innsbruck kehrt er dann in seine Heimat zurück.